In meiner fortlaufenden Arbeit INNER MONOLOGUE setze ich mich mit meiner Gedankenwelt auseinander. 
Wie der Titel schon verrät, führe ich eine Art Selbstgespräch mit mir selbst, durch das ich versuche, all die wiederkehrenden Erinnerungsbilder in einen Kontext zu packen. Durch die unterschiedlichsten Fragmente meiner Erinnerungen ergibt sich so ein Sammelsurium meines inneren Daseins.

2022 - fortlaufend



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Erinnerungen werden als das mentale Wiedererleben früherer Erlebnisse und Erfahrungen definiert. Es sind individuelle Gedankenbilder, die durch reale Begebenheiten entstehen, mit der Zeit in Vergessenheit geraten und in bestimmten Momenten wieder hervorgerufen werden, sei es unbewusst oder bewusst. Die fragmentarischen, flüchtigen Rückblenden lassen sich sich schwer greifen, in Worte fassen oder visualisieren. Ob und inwiefern diese Erinnerungen der Realität entsprechen, bleibt ebenfalls zu hinterfragen. Denn auch wenn sie sich echt anfühlen, können sie miteinander verschwimmen und ein verfälschtes Bild der Vergangenheit wiedergeben.
Mike Schäfer widmet sich in der Werkreihe INNER MONOLOGUE dem Dialog mit sich selbst, genauer gesagt der Auseinandersetzung mit seinen persönlichen Erinnerungen. In den zwei bisher bestehenden Serien versucht er seine Gedankenbilder fotografisch einzufangen, festzuhalten und sowohl für sich als auch für Andere sichtbar zu machen. Ein Auszug dieser Fotografien erstreckt sich über die Wände des Ausstellungsraums, wie ein Puzzle, das zusammengesetzt werden soll. In diesem Selbstgespräch beschäftigt sich Schäfer mit Bildern, die sich bereits seit längerer Zeit in seinem Gedächtnis befinden. Dabei thematisiert er zum einen gewisse Gefühlszustände, die eng mit Erinnerungen verwoben sind, und zum anderen verarbeitet er konkrete Ereignisse aus seiner Kindheit wie Jugend. Als Ausgangspunkt für diese Zeit steht das Buch „Abenteuer mit dem magischen Baumhaus“ von Mary Pope Osborne, ein Geschenk seiner Mutter, das schon in jungen Jahren seine Fantasie anregen sollte. Doch mit zunehmendem Alter wurde das unschuldige Kinderbuch mehr und mehr zu einem geheimen Versteck unterschiedlichster Dinge: Es wurden Seiten herausgeschnitten, Geschichten „gelöscht" und mit neuen Inhalten, neuen Erzählungen gefüllt. Diese Zeit des Übergangs findet sich auch in einem weiteren Motiv wieder. Darin sind die Milchzähne des Künstlers einige Jahre nach ihrem Ausfallen in der Mitte seiner Handfläche zu sehen. Indem er die Vergangenheit und Gegenwart für diesen Moment physisch koexistieren lässt, überträgt er seine Erinnerung dauerhaft in die Fotografie. Das Jetzt spiegelt sich auch in Schäfers erstem Selbstportrait wieder. In dieser Arbeit ist sein Körper jedoch nur bruchstückhaft zu erkennen, da er sich unter einem Berg aus Kleidung versteckt. Neben der geistigen Unordnung scheint sich das Werk auch auf eine Form von Unsicherheit zu beziehen, die darin resultiert das Innere durch das äußere Erscheinungsbild zu verbergen. Eine Phase, die meist mit der Jugend und der damit einhergehenden Identitätssuche verbunden wird. Auf diese Zeit lässt sich ebenfalls der Drang beziehen, einfach in ein Auto zu steigen und loszufahren, ohne ein konkretes Ziel. Diese Stimmung fängt der Künstler in zwei der ausgestellten Fotografien ein. Auf ihnen sind Jugendliche zu erkennen, die nachts ihre Zeit auf Parkplätzen verbringen. Sie muten wie geheime Treffpunkte an, Verstecke um etwas Verbotenes auszuprobieren, wie der Konsum von Alkohol und Zigaretten. Über das Rauchen beziehungsweise seine erste Zigarette - der Sorte Black Devil Vanille - spricht Schäfer ebenfalls in INNER MONOLOGUE. Die Erinnerung an sie und die mit ihr verbundenen Erfahrungen kam zurück, als er nach einer langen Pause wieder mit dem Rauchen begann: „11 Jahre später - und ich habe das Gefühl, wirklich viel hat sich nicht geändert. Dieselben Menschen, Häuser und Geschichten. Nur die Zigarette schmeckt anders, nicht ganz so süßlich. Kein künstlicher Geschmack von Vanille, sondern der Geschmack vieler Momente. Ich wünschte ich hätte alle Überreste jeglicher Zigaretten gesammelt, sie kategorisch sortiert. Eine Art Tagebuch.“


Text von Vivien Kaempf
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