Limes, 2021
Die Siedlung Limesstadt in Schwalbach am Taunus entstand zwischen 1962 und 1973 und ist eine autogerechte Großsiedlung, wie sie in der Nachkriegszeit in ganz West- europa gebaut wurden. Auf der grünen Wiese im Umland von Frankfurt gelegen, sollte die »durchgrünte Stadt« in organischem Bezug zur Landschaft stehen. Wohnhoch- häuser mischen sich mit Bungalows, Autos und Fußgänger:innen sind sorgsam voneinander getrennt. Der gesamten Planung liegt die Wunschvorstellung der Wohlfahrts- gesellschaften zu Grunde: Ein sorgenfreies Leben für alle, sprich: für jeden eine standardisierte Wohnung, Konsumgüter aus dem Nahversorgungszentrum und natürlich ein Auto. Was noch in den 1970er-Jahren als fortschrittliche architektonische Lösung galt, scheint heute nicht mehr ganz zu funktionieren.
Der Marktplatz der Limesstadt gilt inzwischen als »Kriminalitätsschwerpunkt«, 2017 hat die Polizei deshalb eine Videoüberwachungsanlage installiert. Genau an diesem Punkt setzt die Arbeit von Mike Schäfer an. Um zu erfahren, was die Menschen hier wirklich machen, wollte er ursprünglich die Bilder dieser Überwachungskameras auswerten. Weil er aus datenschutzrechtlichen Gründen keinen Zugriff erhielt, hat er sich einen Überwachungskameras gleichenden Video-Cam- corder gekauft. Mit diesem Low-Tec-Gerät hat er sich an den Standorten der Überwachungskameras postiert und durch die Linse die Umgebung beobachtet, um so den Alltag der Bewohner:innen zu dokumentieren. Dabei unterwirft er sich zum einen den vorgegebenen Bedingungen der Videoüberwachung, bleibt aber dennoch ein subjektiv agierender Fotograf. In den vermeintlich zufälligen, verpixelten und leicht unscharfen Momentaufnahmen entsteht ein subtiles, aber auch ungeschöntes Portrait der Limes- stadt und ihrer Bewohner:innen – bei dessen Betrachtung man sich selbst wie ein Voyeur vorkommt.

[Text von Friedrich von Borries]
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